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Ein WM-Quartier im Nirgendwo
Hier wohnt das DFB-Team

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Ein WM-Quartier im Nirgendwo: Hier wohnt das DFB-Team
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In Russland wohnt die Nationalmannschaft in einem abgelegenen Hotelkomplex. Nachbar in Watutinki ist der russische Geheimdienst. Ein Ortsbesuch.

Die beiden Polizisten hinter dem verschlossenen Eingangstor scheinen keine Freunde des gesunden Kompromisses zu sein. „Stop!“, brummt der eine auf Russisch, als sich eine interessierte Dreiergruppe dem schwarzen Tor nähert. „Kein Durchgang! Keine Fotos! Keine Fragen!“, ergänzt der andere freundlich, aber bestimmt.

Hier also muss es sein: der „Watutinki Hotel Spa Complex“, die neue Wahlheimat der deutschen Nationalmannschaft. Diesen Dienstagnachmittag um 17.10 Uhr Ortszeit reist der DFB-Tross mit der Sondermaschine LH2018 aus Frankfurt am nahegelegenen Flughafen Wnukowo an und wird – im Bestfall – erst am 16. Juli wieder abreisen. Am Tag nach dem Finale im gerade einmal 35 Kilometer entfernten Luschniki-Stadion.

Bevor die Spieler sowie der Trainer- und Betreuerstab aber heute ihre Zimmer in dem extra für die WM neugebauten Hotelkomplex im 12 000-Einwohner-Ort Watutinki beziehen werden, sah sich Oliver Bierhoff noch zu einer Klarstellung veranlasst: „Wir fliegen nicht zum Urlaubmachen nach Russland“, versicherte der Nationalmannschaftsmanager, „sondern um das Turnier zu gewinnen.“

Nun denn, Tatianas Segen hat die Nationalmannschaft jedenfalls. Die 45-Jährige steht auf dem Balkon im 17. Stock ihres Wohnhauses und schaut auf den dichten Tannen-, Birken- und Kastanienwald, in dem sich irgendwo im Nirgendwo unter ihr das DFB-Hotel versteckt. „Das ist doch toll, dass die Deutschen in unser Watutinki kommen“, sagt die Kinderkrankenschwester.

Wichtiger als das Turniergeschehen ist für die stolze Russin aber etwas ganz anderes: „Kurz nachdem die Entscheidung gefallen ist, dass die Deutschen hierherkommen, wurde hier in der Nachbarschaft alles schick gemacht“, sagt Tatiana. Neue Bürgersteige, neue Straßenbeleuchtung, neue Spielplätze.

„Die Jungs werden begeistert sein“ Von all dem werden die Nationalspieler aber aller Voraussicht nach wenig bis gar nichts mitbekommen. Ihre Nobelherberge mit 72 Zimmern, Schwimmbad, gerade erst aufgepeppten Tennis- und Beachvolleyballplätzen dürfte das bestbewachte Turnierquartier aller Zeiten werden. Mehrere Sicher-heitsringe umrunden das Hotel, das allerdings wenig vom Charme des schon jetzt legendären brasilianischen Campo Bahia von vor vier Jahren hat.

„Russland ist nicht Brasilien – Aber schön ist es hier trotzdem“, sagt einer, der noch bis zum Donnerstag auf der anderen Seite des Zauns wohnt. Rainer Ernst, der DFB-Rasenchef, ist am Samstag angereist, um sich rechtzeitig vor der Ankunft der Helden in kurzen Hosen von der Unversehrtheit des fünf Autominuten entfernten Trainingsplatzes zu überzeugen. Sein Fazit: „Super! Top! Beste Bedingungen!“

Ernst und sein Team haben sich für eine Mischung aus Weidelgras und Wiesenrispe entschieden. Exakt 25 Millimeter lang ist das Grün. „Die Jungs werden begeistert sein“, schwärmt der Landschaftsgärtner. Lediglich der Nebenplatz im – natürlich – hoch umzäunten ZSKA-Moskau-Areal habe ihm in den vergangenen Monaten Sorgen bereitet. „Auf dem Platz für die Torhüter gab es handtellergroße Lücken. Aber auch die haben wir in den Griff bekommen“, versichert der Frankfurter. „Der Platz ist nun geschlossen grün.“

Grün also. Aber vor allem geschlossen. Ein blauer Sichtschutz verhindert allzu neugierige Blicke von allzu neugierigen Reportern aus Deutschland. Ansonsten auch hier: viel Zaun, viel Polizei und drumherum – viel nichts.

Lediglich ein kleiner Container, in dem Snacks und Kwas, eine Art alkoholfreies Brotbier, angeboten werden, erinnert daran, dass es in dieser Gegend auch Menschen gibt. „Ich habe gehört, dass ganz viele Journalisten aus Deutschland kommen werden“, sagt Kiosk-Chefin Nyrjan aufgeregt. „Die Deutschen mögen doch Bier. Ihnen wird auch unser Kwas sicher gut schmecken.“

Nyrjans Kühlschrank läuft also auf Hochtouren – genauso wie die letzten Vorbereitungen im Mannschaftshotel. Dass das Quartier, das in unmittelbarer Nachbarschaft zum russischen Militärgeheimdienst liegt, eher eine Vernunft- als eine Liebesentscheidung der DFB-Verantwortlichen war, stört hier niemanden. Genauso wenig wie die Gerüchte, dass Trainer Löw viel lieber in dem entspannten Badeort Sotschi am Schwarzen Meer abgestiegen wäre.

Dort sind jetzt die Brasilianer. „Haben die nicht vor vier Jahren so hoch gegen Deutschland verloren?“, fragt Nyrjan.

Und überhaupt: Bier trinken könnten die Brasilianer ja auch nicht. Zumindest nicht so gut wie die Deutschen.

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