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Kevin Kuranyi erklärt den WM-Gastgeber

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Ex-Schalker: Kevin Kuranyi erklärt den WM-Gastgeber
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Kevin Kuranyi spielte fünf Jahre in Moskau. Hier erklärt der Ex-Schalker den WM-Gastgeber.

Kevin Kuranyi absolvierte 52 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft, bei zwei Europameisterschaften war er am Ball. An Weltmeisterschaften durfte er nicht teilnehmen: 2006 wurde er kurz vor der WM in Deutschland überraschend aussortiert, 2010 war er nicht mehr dabei, weil seine Länderspiel-Karriere 2008 unschön beendet worden war. Beim Spiel gegen Russland in Dortmund saß er nur auf der Tribüne und haute zur Halbzeit ab. Danach wurde er von Bundestrainer Joachim Löw nie mehr eingeladen.

In neuer Rolle wird der frühere Torjäger, der je fünf Jahre für Schalke 04 und Dynamo Moskau spielte, bei der WM in Russland zu sehen sein: Der 36-Jährige gehört zum Expertenteam der ARD.

Herr Kuranyi, wie ist es um Ihr Russisch bestellt? Kevin Kuranyi: Ganz gut, ich komme durch (lacht) – nicht nur im Supermarkt und im Restaurant.

Sie sagten mal, es gäbe viele ausländische Profis in Russland, die sich nicht die Mühe machten, die Menschen richtig kennenzulernen. Sie haben es anders gemacht? Ich finde es traurig und respektlos, wenn man in ein fremdes Land geht, gutes Geld dort verdient, sich aber nicht auf das Land und die Menschen einlässt. Wenn man sich als Profi schon traut, einen solchen Schritt zu gehen, dann sollte man auch versuchen, sich den Menschen und dem Land so gut wie möglich anzupassen. Zum Beispiel, indem man die Sprache lernt.

Nun kehren Sie als WM-Experte der ARD zurück. Was erwartet die deutsche Mannschaft und die Fans in Russland? Die Menschen können am Anfang etwas distanziert sein. Aber wenn man sie besser kennenlernt, dann sind sie wahnsinnig hilfsbereit. Ich habe in der Zeit viele Freunde gefunden und fühle mich in Moskau ein bisschen wie zu Hause.

Gab es Situationen, in denen Ihre Anpassungsfähigkeit auf eine Probe gestellt wurde? Natürlich. Es gab Momente, in denen ich verzweifelt bin. Zum Beispiel, wenn ich mal wieder für 15 Kilometer Autofahrt zum Training zweieinhalb oder drei Stunden gebraucht habe. Moskaus Verkehr ist berüchtigt. Zur falschen Zeit auf der falschen Autobahn zu sein, kann viel Zeit kosten. Aber das lehrt einen Geduld.

Was war noch befremdlich? Als ich zu meinem ersten Training bei Dynamo kam, hatte der Trainer Schießtraining angesetzt – aber nicht mit dem Ball. Wir gingen auf ein Militärgelände, bekamen richtige Knarren in die Hand gedrückt und schossen mit echten Patronen. Das war merkwürdig.

Was haben Sie gedacht? Ich habe tatsächlich gedacht, ich wäre im falschen Verein. Aber der Klub wollte auf diese Weise nur seinen Ursprüngen als Polizeisportverein Rechnung tragen.

Die internationalen Sympathiewerte Russlands haben in den vergangenen Monaten deutlich gelitten: Korruption, Doping, Putins Politik. Was sagen Sie Menschen, die mit einem gewissen Argwohn nach Russland reisen? Sie werden eine Überraschung erleben! Bevor ich nach Moskau wechselte, hatte ich auch viel gelesen, viel gehört, und ich wusste nicht, was mich erwartet. Aber ich hatte ein falsches Bild im Kopf. Russland ist ein wunderschönes Land, Moskau eine wunderschöne Stadt. Ich habe mich dort immer sicher gefühlt, und die Menschen sind viel netter, als man denkt.

Inwieweit ist die WM eine Chance für Russland, sich auf andere Weise zu präsentieren? Deutschland 2006 ist ja das beste Beispiel, als es ein Bild von sich gezeichnet hat, das man vorher so nicht kannte.

Bei der vergangenen EM in Frankreich fiel Russland nicht sportlich auf, sondern durch Hooligans, die Marseille verwüsteten. Drohen ähnliche Bilder nun auch? Ich denke nicht. Russland wird sich gut vorbereiten.

Wie sieht denn das Publikum im Liga-Alltag aus? Meistens waren nur so 5000 bis 10 000 Zuschauer im Stadion. Aber die Begeisterung wird bei der WM eine andere, eine größere sein.

Verfolgen Sie noch die russische Liga? Wenn ich kann, schaue ich natürlich die Spiele. Viele Freunde spielen noch in der Liga.

Im Achtelfinale der Champions League fand sich kein russischer Klub, im Achtelfinale der Europa League hingegen gleich drei. Doch eine große Rolle spielten sie alle nicht mehr. Natürlich müssen die russischen Vereine schauen, dass sie sich international verbessern. Aber das Fußball-Geschäft ist nicht leichter geworden dadurch, dass englische, spanische, französische und auch manche italienische Vereine so viel Geld in die Hand nehmen. Der Erfolg ist hart umkämpft.

Auch die Nationalmannschaft gilt international als nicht wirklich konkurrenzfähig und verfügt über keinen großen Star. Was trauen Sie der Mannschaft bei der WM zu? Ich denke, sie verfügt über gute Jungs, die das Achtelfinale erreichen können. Dort hängt es dann vielleicht auch vom Gegner ab, ob die Reise weitergeht. Ich glaube, es wird dann langsam eng.

Stanislaw Tschertschessow war früher Bundesliga-Torhüter bei Dynamo Dresden, er trainierte Sie ein Jahr lang bei Dynamo Moskau. Seit 2016 ist er Nationaltrainer. Wie beurteilen Sie seine Arbeit? Er ist ein harter Typ, der keine Konfrontation scheut. Aber er hat seine Linie, die zieht er durch. Besser so als anders. Klingt nicht unbedingt nach uneingeschränkter Begeisterung. Sie irren sich (lacht). Ich mag ihn, als Trainer und als Mensch.

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