Der Blick zurück löst zwar keine Euphorie aus, aber doch ein gerüttelt Maß an Zufriedenheit. In der Regionalliga-Hinrunde ging es bei den Spielen der SG Wattenscheid 09 meistens bis zur letzten Minute spannend zu – nicht immer mit einem glücklichem Ausgang für die Wattenscheider, die sich dennoch mit ihrem keinesfalls üppigen Kader einen starken elften Platz und neun Punkte Vorsprung auf die Abstiegsränge erarbeitet haben. Das dürfte eine gute Basis sein für die restliche Saison.
Ebenso spannend wie auf dem Rasen ging es hinter den Kulissen zu, wo nach und nach fast die komplette Führungsebene ihren Hut nahm und die Zukunft des Vereins knapp unterhalb des Profifußballs zwischenzeitlich extrem gefährdet schien. Nach einigen Turbulenzen hat die SG 09 nun wieder festen Boden unter den Füßen, ein neuer Aufsichtsrat und Vorstand haben ihre Arbeit aufgenommen. „Es herrscht Aufbruchstimmung“, sagt Trainer Farat Toku dazu.
Drohende Insolvenz abgewendet
Der 7. November 2017 war für die SG 09 der wohl wichtigste Tag des Jahres: Bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung musste nach den Rücktritten fast des kompletten Aufsichtsrats eine neue, finanzkräftige Führung gefunden werden – ansonsten hätte der damals von der Insolvenz bedrohte Verein vor dem Aus gestanden. Die Riege um Aufsichtsratschef Reinhard Mokanski, gleichzeitig einer der Hauptsponsoren, hatte sich nach Meinungsverschiedenheiten über den Einfluss eines potentiellen neuen Geldgebers zurückgezogen. Schon im Sommer hatte die Vorstandsvorsitzende Gabi Vit ihr Amt niedergelegt. „Plötzlich stand ich quasi alleine da, das war keine einfache Situation“, sagt Toku im Rückblick. Im März hatte der Trainer seinen Vertrag verlängert und - nach der Trennung von Hartmut Fahnenstich - um die Funktion des Sportlichen Leiters erweitert. An vielen Ecken und Enden hielt er den Laden nach der Rücktrittswelle zusammen.
Seit dem 7. November kann sich Toku nun wieder ganz auf das Sportliche konzentrieren. An diesem Abend wurde der neue Aufsichtsrat mit Dumeik Qumseyeh, Daniel Sander, Christof Wieschemann, Lukas Bennemann, Marco Ostermann und Immobilien-Unternehmer Oguzhan Can an der Spitze gewählt. Das neue Gremium wandte die drohende Insolvenz mit einer Finanzspritze ab und sicherte, so lautet die Zusage, den Etat für diese Saison. Seit Mitte November gibt es mit WTC-Geschäftsführer Dragan Markovic auch einen neuen Vorstand.
Also alles wieder eitel Sonnenschein in Wattenscheid? Noch nicht ganz, sagt Toku: „Ich habe großen Respekt dafür, dass sich jemand gefunden hat, der hier die Verantwortung übernimmt. Aber es wartet jetzt eine Menge Arbeit, es gibt viel zu tun. Wir wollen dabei alle in eine Richtung paddeln.“ Als Sportlicher Leiter wird er selbst vor allem die Augen nach Neuzugängen offen halten und mit seinem geringen Etat auch hier auf eine Finanzspritze hoffen: „Der Kader ist zu klein, aber die Chancen auf eine echte Verstärkung sind im Winter nicht gerade gestiegen. Es muss schon einer sein, der uns direkt weiterhilft.“
Vor allem für die Offensive wird eine Alternative gesucht, denn in der Hinrunde haperte es zwischenzeitlich doch erheblich an der Chancenverwertung. So gingen einige Partien, in denen die Wattenscheider eigentlich strukturell und spieltechnisch überlegen waren und den Takt angaben, noch verloren, manchmal in wortwörtlich letzter Minute. „Aufwand und Ertrag haben sich bei uns nicht immer die Waage gehalten“, gibt Toku zu: „Aber mit der Art und Weise, wie wir spielerisch aufgetreten sind, war ich sehr zufrieden. Da können wir weiter ansetzen.“
Dabei hoffen Trainer und Spieler auch, dass es mit der neuen Führungsetage hinter den Kulissen in der Rückrunde etwas ruhiger und geordneter zugeht. Schließlich musste die Mannschaft in den letzten Jahren immer wieder das ihr zustehende Salär anmahnen - mit der Hilfe auch der Öffentlichkeit, was stets kein gutes Licht auf den Klub warf. Würde in dieser Angelegenheit mehr Verlässlichkeit Einzug halten, wäre das ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Immerhin: Statt wie noch zu Beginn der Hinrunde verspätet, haben die Spieler ihr erstes Gehalt unter dem neuen Aufsichtsrat sogar im Voraus bekommen. Eine Art vertrauensbildende Maßnahme. Jetzt muss nur noch Normalität einkehren.
Vertrauensbildende Maßnahme
Die Mannschaft hatte sich von den Turbulenzen abseits des Rasens aber ohnehin nie etwas anmerken lassen und ihre sportlichen Ziele weiterhin ambitioniert verfolgt, was Toku optimistisch für die Rückrunde stimmt: „Die Jungs haben das trotz des ganzen Drumherums bravourös gemeistert. Im neuen Jahr wollen wir den nächsten Schritt machen. Wir schielen auf die einstelligen Tabellenplätze, aber unser oberstes Ziel bleibt der Klassenerhalt.“