Der Abschied vor 1672 Tagen gipfelte in den Tränen eines Bundesliga-Meistertrainers. Josef Heynckes, den alle seit Fußball-Gedenken nur Jupp nennen, übermannten am 18. Mai 2013 die Trennungsgefühle. Fast fünf Jahrzehnte war er ein Protagonist des deutschen Profifußballs. Erst als Torjäger, dann als Cheftrainer. Und nun das selbst gewählte Bundesliga-Ende. Ausgerechnet am Pressekonferenzmikrofon im Borussia-Park zu Mönchengladbach, seiner Geburtsstadt. Nach dem Klassiker Gladbach gegen FC Bayern, das der Meister, Pokalsieger und Champions-League-Triumphator nach 0:3 noch 4:3 gewann, wusste Jupp Heynckes nicht, dass sein 1012. Bundesligaspiel eben nicht das letzte der Karriere gewesen sein würde.
Am Samstag (18.30 Uhr/Sky) läuft die 99. Bundesliga-Auflage von Schwarz-Weiß-Grün gegen Rot. Heynckes hatte sich eigentlich auf seinem Bauernhof im Schwalmtaler Ortsteil Fischeln, nur 14 Kilometer vom Borussia-Park entfernt, mit Ehefrau Iris und Schäferhund Cando zur Ruhe gesetzt. Seit neun Spielen und neun Siegen lenkt der 72-jährige Ruheständler außer Dienst wieder die Roten.
„Die Bayern waren aus den Fugen geraten. Jupp hat seinen Spielern die Freude am Spiel, an der Arbeit zurückgegeben. Er ist mit seinem einzigartigen Charakter der richtige Mann für diese Situation“, sagt Günter Netzer im Gespräch mit dieser Redaktion. Und zollt seinem alten Freund höchsten Respekt: „Ich bin von Jupp total überzeugt. Er ist bei den Spielern mit seiner Erfahrung und seinem Auftreten voll akzeptiert, er ist eine Respektsperson. Und das ist entscheidend. Spieler haben schließlich in zehn Minuten raus, was ein neuer Trainer so drauf hat.“ Heynckes’ Welt- und Europameisterkollege von 1974 und 1972 schließt sich bei letzterem unbedingt mit ein. Der 73-jährige gebürtige Gladbacher mit Wohnsitz in Zürich bleibt zwar aufmerksamer Beobachter der Fußballszene, hat im Sommer aber seine Ämter beim Schweizer Sportmarketing-Unternehmen Infront niedergelegt und sich aus dem Profigeschäft in den Ruhestand verabschiedet. Netzer ist nur noch gelegentlicher Stadiongänger. Wie zuletzt beim DFB-Pokalspiel seiner Borussia in Düsseldorf.
Auch Berti Vogts ist eher selten bei den Heimspielen der Fohlenelf. „Ich gehe nur hin, wenn das Wetter stimmt“, sagt der frühere Bundestrainer. Heynckes’ schnellen Erfolg bei den Bayern überrascht den einstigen Abwehrterrier nicht. „Jupp liebt diesen Klub und schafft für die Spieler eine große Vertrauensbasis. Das ist bei Bayern meist schon entscheidend für den Erfolg.“
Ähnlich sieht das Rainer Bonhof, wie Heynckes,. Netzer und Vogts Mitglied der Gladbacher Weltmeister-Crew von 1974. „Ich kann sehr gut verstehen, dass Jupp dem FC Bayern hilft. Er hat dort seine größten Triumphe gefeiert als Trainer, und er ist eng verbunden mit seinem Freund Uli Hoeneß. Dazu hat seine Motivation nie nachgelassen. Das war als Spieler schon so und als Trainer ebenfalls. Diese Einstellung ist nicht altersabhängig, man hat sie ein Leben lang“, sagt Bonhof. Nicht nur Gladbachs 65-jähriger Vizepräsident hofft trotzdem, dass die Borussia den Bayern-Siegeslauf unter Heynckes am Samstagabend ausbremst. Berti Vogts räumt den Gladbachern gegen den Meister reelle Siegchancen ein. „Die Sache steht 50:50 – wie bei uns früher in den 70er-Jahren.“ Da wirkte Gladbach sportlich und finanziell allerdings noch auf Augenhöhe mit den Bayern.
Im Gegensatz zu Günter Netzer kann sich der bald 71-jährige Vogts nach seinem Abschied als Nationaltrainer von Aserbaidschan im Jahr 2014 übrigens einen weiteren Job im Profifußball vorstellen. „Als Trainer in der Bundesliga sicher nicht, aber vielleicht irgendwo in einer anderen Position. Ich habe die Entscheidung allein in der Hand“, sagt Vogts. Und fühlt sich da in einer ähnlichen Position, wie sie Jupp Heynckes bis Anfang Oktober inne hatte.
Dann kam der Hilferuf von Uli Hoeneß. Der hatte bei Heynckes’ Ehrenringverleihung der Stadt Mönchengladbach im März 2016, wenige Wochen nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis Landsberg, die Laudatio gehalten. Kann es eine noch engere Bande zwischen Gladbach und Bayern geben?