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Interview
Warum sich Domenico Tedesco Schalke zutraut

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Interview: Warum sich Domenico Tedesco Schalke zutraut
Foto: Jakob Studnar

Gutgelaunt kommt der neue Trainer des FC Schalke 04 in die Arena. Domenico Tedesco wirkt offen, interessiert, tatendurstig. Im Interview verrät er viel Persönliches.

Sein Smartphone legt er umgedreht auf einem freien Stuhl ab. So ist zu sehen, dass das Schalke-Wappen die Hülle ziert. Auf die Scherzfrage, ob dieses Handy Jahr für Jahr von Schalke-Trainer zu Schalke-Trainer weitergereicht werde, verdreht er zuerst die Augen, dann lacht er. „So etwas höre ich hier relativ oft“, sagt der 31-Jährige und stellt klar, mit welchem Ziel er angetreten ist: „Es wird Zeit, dass sich das ändert!“

Herr Tedesco, sagen Ihnen die Namen Slobodan Cendic und Karl-Heinz Marotzke etwas? Nicht direkt. Sind das ehemalige Schalker Spieler?

Knapp daneben. Diese beiden waren vor Ihnen die jüngsten Schalker Bundesliga-Trainer. 1967 war Marotzke 32 Jahre alt, 1970 war Cendic 33. Aber beide haben kein Jahr im Amt überstanden. (lacht) Schon in der Schule fand ich, dass Geschichte grundsätzlich etwas Wichtiges ist, aber für meine tägliche Arbeit schaue ich eher nicht zurück.

Wie war es für Sie, die Schalker Mitgliederversammlung zu besuchen und sich dort 9500 Besuchern vorstellen zu müssen? Waren Sie nervös? Ich habe mich auf die erste offizielle Begegnung mit den Fans richtig gefreut. Weil das für mich im Vordergrund stand, hatte ich am Tag vorher auch noch kein Lampenfieber. Das kam dann eine Viertelstunde vorher aber doch auf, und ich muss zugeben, dass es mir kurz den Atem geraubt hat, als ich da oben stand und die Menschenmenge sah.

ZUR PERSON: Domenico Tedesco (31) wurde in Rossano (Italien) geboren. Als er drei Jahre alt war, zog die Familie nach Baden-Württemberg. Der Deutsch-Italiener hat eine Frau und eine fünf Monate alte Tochter. Den Fußballlehrer-Lehrgang bestand er mit der Traumnote 1,0. Als Trainer war er bisher beim VfB Stuttgart (U17), bei 1899 Hoffenheim (U19) und bei Erzgebirge Aue (2. Liga).

Hatten Sie sich gezielt darauf vorbereitet? Ja, die Mitglieder sind doch sehr wichtig, deshalb habe ich mir einen gewissen Rahmen gesteckt. Aber ich habe natürlich nichts auswendig gelernt.

Und wie war der direkte Kontakt zu den Fans? Unheimlich motivierend. Es war keiner dabei, der etwas Negatives geäußert hat. Ganz oft habe ich gehört: Du schaffst das, Trainer! Das war schon geil, das hat mich riesig gefreut.

Am Tag Ihrer Vorstellung auf Schalke haben Sie selbst gesagt, Ihr Talent hätte nicht für eine Profikarriere gereicht. Früher war das ein Nachteil, wenn man dann als Trainer vor Stars trat. Heute nicht mehr? Haben sich die Zeiten geändert? Spannende Frage. Ich würde sie gerne andersherum beantworten. Es ist sicher kein Nachteil, als Trainer ein ehemaliger Profi zu sein. Ich denke, es ist dadurch etwas einfacher, gleich zu Beginn den Schlüssel zur Mannschaft zu finden. Die Jungs schauen zu dir auf, und kurzfristig hilft das. Mittelfristig aber geht es nur noch um Inhalte.

Sie haben im Profibereich bisher nur wenige Monate Erzgebirge Aue in der Zweiten Liga trainiert. Sie hätten sagen können: Ich sammele dort erst einmal mehr Erfahrung. Stattdessen aber trauen Sie sich jetzt schon Schalke 04 mit all seiner Wucht zu. Warum sind Sie ins Risiko gegangen? Bei jeder Aufgabe gibt es die Abwägung zwischen Chance und Risiko. Die gab es in Aue, und die gab es auch vorher bei der U19 in Hoffenheim und der U17 in Stuttgart, die vorher mehrmals in Finalspielen um die Deutsche Meisterschaft gestanden hatten. Ich stelle mir die Frage: Wie groß ist der Reiz? Und der ist bei Schalke einfach enorm. Natürlich macht man sich seine Gedanken, aber ich brauchte in diesem Fall keine lange Bedenkzeit.

Bevor Sie Fußball-Lehrer wurden, haben Sie einiges ausprobiert. Sie haben eine Lehre als Groß- und Außenhandelskaufmann gemacht und einen Master in Innovations-Management. Hilft das jetzt? Es hat in der Anfangszeit als Trainer sehr geholfen. Ich wusste, dass ich vom Fußball nicht abhängig war. Ich hätte in die Industrie zurückkehren können. Das ist vor allem für den Kopf eine Erleichterung. Mittlerweile hat sich das natürlich geändert, ich möchte langfristig Trainer sein.

Sie haben auch in der Druckerei, in der Ihr Vater arbeitete, Zeitungspakete gepackt und ein Schüler-Praktikum bei der Eßlinger Zeitung gemacht. Dürfen wir Sportjournalisten damit rechnen, dass Sie uns verstehen? (lacht) Schon wieder eine spannende Frage. Ich habe tatsächlich Zeitungen eingelegt, um mein Studium zu finanzieren. Und das Praktikum habe ich ganz bewusst gewählt, weil mich Sportjournalismus schon immer interessiert hat. Ich war 15 oder 16 Jahre alt und fand das unglaublich interessant.

Und welche Erfahrung haben Sie gemacht? In einer Gesprächsrunde habe ich Michael Feichtenbeiner, der damals die Stuttgarter Kickers in der Zweiten Liga trainierte, eine Frage gestellt, und als ich sah, dass die Reporter von den anderen Zeitungen die Antwort mitschrieben, war ich mächtig stolz.

Ihre Frau und Ihre fünf Monate alte Tochter leben noch in Stuttgart, Sie sind jetzt hier im Ruhrgebiet. Wie regeln Sie das veränderte Familienleben? Die Familie wird nachkommen, das ist mir enorm wichtig. Wir suchen hier gerade eine Wohnung, und ich bin zuversichtlich, dass wir das schon bis Ende Juli geschafft haben werden.

Es heißt, Sie seien sehr kommunikativ. Das ist einer der Gründe, weshalb Sie geholt wurden. Was verstehen Sie unter diesem Begriff? Es geht um gesunde Transparenz, es geht darum, Inhalte zu vermitteln. Mir ist doch klar, dass ein Spieler, der nicht spielt, unzufrieden ist. In Aue habe ich denen, die am Spieltag nicht im Aufgebot waren, erklärt, warum das so war – da ist es wichtig, ehrlich zu sein. Und ich habe ihnen versichert, dass sich so etwas innerhalb weniger Tage wieder ändern kann. Das aber liegt dann auch am Spieler selbst.

Darf ein Spieler Sie nachts um 1 Uhr anrufen, wenn er ein Problem hat? (lacht) Ich weiß nicht, ob ich um die Zeit mein Handy höre. Aber ganz sicher würde ich am nächsten Morgen sofort zurückrufen. Genau darum geht es.

Sie haben in Aue auch mal im Training neue Reizpunkte gesetzt und zum Beispiel mit einem Rugby-Ei für Spaß gesorgt. Was Sie alles wissen! (lacht) Ja, das war nach einer Heimniederlage, die Mannschaft war sehr leise und wirkte platt. Deshalb haben wir eine Art Brennball gespielt, und das hat dann tatsächlich allen viel Spaß gemacht. Man muss aber sehr genau wissen, wann und wie oft man so etwas macht. Siebenmal das Rugby-Ei – und die Wirkung würde verpuffen.

Sie sollen ein schlechter Verlierer sein. Ja, das ist sicher eine Eigenschaft, die ich verbessern könnte.

Obwohl trotz der 0:1-Niederlage am letzten Zweitliga-Spieltag in Düsseldorf der Klassenerhalt für Aue feststand, waren Sie schlecht gelaunt. Ich muss zugeben, dass mir das Feiern mit der Mannschaft an dem Tag schwer fiel. Weniger wegen des Ergebnisses, sondern weil wir uns während der ganzen Woche hochkonzentriert auf dieses Spiel vorbereitet hatten. Und dann möchte man auch sehen, was eingeübt wurde. Die Mannschaft war jedoch total gelähmt. Diese Niederlage war sehr unnötig, und das hat mich geärgert. Man kann verlieren – aber okay ist es nur, wenn man selbst an seine Grenzen geht. Das ist uns an diesem Tag leider nicht gelungen, die Jungs wirkten teilweise wie blockiert.

Ihre Vorgänger auf Schalke haben sich teilweise darüber beklagt, dass sie wegen der vielen Englischen Wochen nur wenige Möglichkeiten hatten, im Training Korrekturen vornehmen zu können. In der nächsten Saison spielt Schalke nicht international – ein Vorteil für den neuen Trainer? Jein. Wenn du mehr Zeit hast, kannst du inhaltlich mehr an den Mann bringen. Und trotzdem wäre ich gerne jetzt schon im Europapokal dabei. Spieler reifen ja auch in solchen internationalen Begegnungen.

Stichwort Reife: Dürfen sich junge Spieler bei dem ehemaligen Jugendtrainer Domenico Tedesco besonders große Hoffnungen machen? Sie dürfen sich die gleichen Hoffnungen machen wie die älteren. Es geht um Mentalität und um Qualität. Das Alter ist nicht so entscheidend.

Sie sind 31. Sie werden sicher auch noch einiges dazulernen wollen. Ja, definitiv. Mal angenommen, ein Spieler kommt zu mir und skizziert mir unter vier Augen eine gute Idee. Oder ein Physiotherapeut hat eine ganz neue Vorstellung von Behandlung. Dann muss ich doch für all das offen sein. Persönliche Eitelkeiten sind völlig fehl am Platz.

Schalke ist traditionell unruhig und ungeduldig. Wie kanalisieren Sie das? Indem ich mich auf meine Arbeit fokussiere. Ich möchte mich nicht mit etwas beschäftigen, das ich nicht beeinflussen kann. Es ist nicht mein Anspruch, Schalke komplett zu verändern. Das wäre auch falsch. Es ist mein Anspruch, Schalke nach vorne zu bringen.

Sie sind gebürtiger Italiener und seit Ihrem dritten Lebensjahr im Schwäbischen aufgewachsen. Wie temperamentvoll sind Sie? Warten Sie mal das erste Spiel ab. Ich lebe den Fußball gerne mit, ich bin während eines Spiels voll dabei. Danach versuche ich aber, schnell wieder sachlich zu werden.

Andere Klubs haben schon viele neue Spieler verpflichtet, Schalke musste sich nach dem Trainerwechsel erst einmal Ihre Vorstellungen anhören. Ging dadurch schon zu viel Zeit verloren? Der Eindruck könnte von außen entstehen. Das ist aber nicht so. Christian Heidel und Axel Schuster haben mit der Scoutingabteilung schon sehr gute Vorarbeit geleistet.

Sie haben aber klargestellt, dass vor dem Trainingsstart kein Spieler weggeschickt wird. Wir sollten nicht den Fehler machen, einen Spieler nicht zu berücksichtigen, ohne mit ihm gesprochen und ihn am besten noch im Training gesehen zu haben. Weil die Gefahr zu groß wäre, Qualität zu verlieren, die zweifellos vorhanden ist. Aber ich weiß natürlich trotzdem, dass es im Einzelfall auch mal anders laufen kann.

Sie haben noch keine Co-Trainer. Wir führen Gespräche. Das ist schon ein wichtiges Thema, denn ich sage ja nicht: Ich mache sowieso alles alleine.

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Pl. Mannschaft Sp g u v Tore Diff Pkt.
12 1. FC Magdeburg 26 8 7 11 38:41 -3 31
13 SV Wehen Wiesbaden 26 8 7 11 30:34 -4 31
14 FC Schalke 04 26 9 3 14 42:54 -12 30
15 1. FC Kaiserslautern 26 8 5 13 42:51 -9 29
16 FC Hansa Rostock 26 8 4 14 24:41 -17 28
Pl. Mannschaft Sp g u v Tore Diff Pkt.
3 Karlsruher SC 14 7 5 2 34:18 16 26
5 SpVgg Greuther Fürth 13 8 2 3 25:15 10 26
6 FC Schalke 04 13 7 2 4 26:19 7 23
7 Hertha BSC Berlin 13 6 4 3 32:17 15 22
8 Holstein Kiel 13 7 1 5 25:22 3 22
Pl. Mannschaft Sp g u v Tore Diff Pkt.
15 1. FC Magdeburg 13 2 4 7 14:24 -10 10
16 Eintracht Braunschweig 13 3 0 10 10:22 -12 9
17 FC Schalke 04 13 2 1 10 16:35 -19 7
18 VfL Osnabrück 13 1 4 8 13:33 -20 7

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1 9 177 0,5
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Mittelfeld

1 374 0,1
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