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Radio-Legende Günther Pohl macht die 1000 voll

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Beim Auswärtsspiel gegen Sandhausen wird Radio-Bochum-Legende Günther Pohl sein 1000. VfL-Spiel im Radio kommentieren. Wir trafen ihn zum Interview.

Vor dem Bochumer Stadion trifft Günther Pohl den ehemaligen Bundesliga-Spieler Michael „Ata“ Lameck. „Legende“, ruft Pohl ihm zu, „bald habe ich doppelt so viele Spiele wie du!“ Lameck grinst schelmisch und entgegnet: „Dafür musst du noch ein Jahr dranhängen.“

999 Spiele als Kommentator für Radio Bochum hat Günther Pohl schon erlebt, am Wochenende in Sandhausen wird er zum 1000. Mal dabei sein. Lameck, der 518 Spiele für den VfL Bochum absolviert hat, liegt mit seiner Antwort also richtig.

51 seiner 63 Lebensjahre hat Pohl dem VfL gewidmet. Er gilt an der Castroper Straße längst als Legende. Wir trafen den Journalisten zum Gespräch.

Günther Pohl, 1000 VfL-Pflichtspiele in Folge. Die einfachste Frage an Sie: Was macht die Faszination VfL Bochum für Sie aus? Dass der VfL immer mehr Spiele verliert als gewinnt und dass es einer unheimlichen Liebe und Stärke bedarf, sich das über 51 Jahre anzutun. Das ist einzigartig. Immer nur zu gewinnen, wäre mir zu langweilig. Dann wäre ich wahrscheinlich eher Anhänger von Barcelona oder Real Madrid geworden. Die Faszination kommt aber auch durch das Familiäre im Klub. Ich kann dort jeden Tag mit jedem sprechen. Da ist der VfL eine der letzten Oasen im Profi-Fußball.

Braucht man trotz der familiären Atmosphäre eine hohe Bereitschaft, mit dem Verein zu leiden? Ja, eine sehr hohe sogar. Wenn man zum VfL Bochum geht, weiß man, dass man von den 34 Spielen nur zehn gewinnt. Dessen muss man sich auch immer bewusst sein als Anhänger des Vereins.

Wie haben Sie Ihre Liebe zum Verein entdeckt? Ich bin Bochumer. Meine ersten Spiele habe ich nach dem Aufstieg in die Regionalliga 1965/66 gesehen. Dann bin ich irgendwie da hängengeblieben.

Können Sie sich noch an Ihren ersten Radio-Einsatz bei dem Verein erinnern? Das erste Bochum-Spiel, das ich als Journalist begleitet habe, war das 2:1 im Heimspiel gegen Mönchengladbach am 1. Mai 1990. Für die Fohlen hat damals übrigens Christian Hochstätter getroffen. So schließt sich dann der Kreis (lacht). Mein erster Radio-Einsatz war bei einem Pokalspiel bei Waldhof Mannheim. Der VfL verlor 2:3 nach 0:3-Rückstand. Zweifacher Torschütze war Dieter Hecking. Da spielten noch Christian Wörns und Roland Dickgießer. Ich glaube, damals war Bochum sogar noch eine Liga über Mannheim.


Das Wiedersehen mit Dickgießer gab es ja in dieser Saison in der ersten Pokalrunde bei Astoria Walldorf. Ja genau. Mit ihm habe ich vor dem Spiel sogar noch telefoniert. Er konnte sich aber erst wieder an das Spiel erinnern, nachdem ich ihm auf die Sprünge geholfen hatte. Und ja: Auch in dieser Saison hatte er mit dem Pokal-Aus des VfL in der ersten Runde zu tun. Das war schon kurios.

Wie waren denn die technischen Voraussetzungen damals für Sie? Es war eine ganz andere Berichterstattung damals. Die Spiele waren meistens samstags. Ich habe in der Zeit für den RevierSport geschrieben. Der erschien immer sonntags. Es gab kein Internet, keinen Laptop. Damit ich die Texte abliefern konnte, bin ich nach dem Spiel zu einer Tankstelle gefahren, habe in der Redaktion angerufen und mich dann zurückrufen lassen, um die ersten beiden Seiten der Berichterstattung durchzugeben. Dann sind wir weitergefahren, wieder das gleiche Procedere: Die nächste Tankstelle, wieder anrufen lassen und den Rest durchgegeben. Dann habe ich noch nachts die Kassette mit den Interviews für die Berichterstattung im Radio in den Briefkasten geworfen. Dann habe ich ein paar Stunden geschlafen, bin ins Studio gefahren und habe den Kommentar für das Spiel live durchgegeben. Heute ist das alles etwas bequemer (lacht).

Sie stehen dem Verein sehr nah. Wie schwer fällt Ihnen die Trennung zwischen dem, was Sie als Reporter und dem, was Sie als Fan sagen? Was den VfL Bochum angeht, bin ich emotionaler als bei jedem anderen Verein. Ein grottenschlechter Kick ist für mich ein grottenschlechter Kick. Ich kenne aber die Möglichkeiten des Vereins und setze das bei der Berichterstattung in ein Verhältnis. Vom VfL auf Gedeih und Verderb den Erstliga-Aufstieg zu fordern, ist illusorisch. Oder das Beispiel Terodde-Transfer: Auch dadurch kann der Verein die Gehälter seiner Angestellten bezahlen. Aber das sind die Möglichkeiten des Vereins. Manchmal vergessen das einige.

Sie sind allerdings so nah am Verein, dass sich das in Ihrer Berichterstattung manchmal niederschlägt. Das sehe ich differenziert. Die Distanz ist da. Es kommt vor, dass sich ein Spieler bei mir über einen Bericht über ihn beschwert. Ich gebe ihm dann ein Feedback, kläre das mit ihm. Also pflege ich einen kollegialen Umgang.


Bei den Fans gelten Sie als Kultfigur. Vor einiger Zeit tauchte ein Plakat mit der Aufschrift „Günther Pohl = Sexsymbol“ auf. Was steckte dahinter? Das ist eine ganz witzige Geschichte. Das war eine Aktion von den Ultras. Sie wollten mich damit ein bisschen ärgern. Ich habe zu der ganzen Szene ein etwas gespaltenes Verhältnis. Zum Beispiel wegen meiner Ansichten zum Thema Pyrotechnik. Ich bin mit meiner Meinung über einige Aktionen bei ihnen angeeckt. Dann haben sie das Plakat hochgehalten.

Wie haben Sie reagiert? Ich habe einen Bekannten aus der Szene angesprochen, um ihm das Plakat abzukaufen, um es in meinen Partykeller zu hängen. Dadurch hat sich schnell herumgesprochen, dass ich damit sehr gelassen umgehe. Das hat ihnen gefallen, glaube ich.

Woran merken Sie das? Es hat nach Auswärtsspielen schon oft diese Situation gegeben: Mein Freund Hans Kucharski, der mich übrigens auch zu jedem Spiel gefahren hat, hat einen Autobahnparkplatz angesteuert, um sich die Beine zu vertreten. Wir laufen herum und plötzlich erkennt mich jemand. Dann kommen die Sprechchöre: „Günther Pohl, Sexsymbol!“ Mich amüsiert das immer köstlich.

Wo hängt das Plakat heute? Das weiß ich nicht. Jedenfalls nicht in meinem Partykeller. Leider.

Auf der Video-Plattform YouTube gibt es ein Video von Ihnen. Als Beschreibung steht dort „Günther Pohl dem Herzinfarkt nahe“. Muss man sich während eines Spiels tatsächlich Sorgen um Ihre Gesundheit machen? Nein. Wenn ich das in mich hineinfressen würde, wäre das viel dramatischer. Ich neige dazu, viel zu emotional zu sein. Vermutlich ist genau das der Grund, warum ich die Berichterstattung immer noch machen darf. Aber ich bin ehrlich: Die letzten drei, vier Minuten eines spannenden Spiels würde ich im Radio nur ungern von mir hören (lacht).


Mit Ihnen werden viele spontane Ausrufe in Verbindung gebracht – selbst wenn die Aktionen nur einen Ausgleich zur Folge hatten oder ein Tor nicht besonders wichtig war. Viele haben sich gefragt, was denn wohl mit Ihnen passiert, wenn der VfL tatsächlich mal Deutscher Meister werden sollte. Ich würde meine Karriere beenden. Zu den Ausrufen: Das kann man nicht planen. Ich habe vor dem Spiel in Osnabrück nicht geplant, „Marcel Maltritz Fußballgott“ zu schreien und halte es auch sonst eher spontan. Wenn der VfL Meister würde (überlegt kurz) – ich würde wahrscheinlich erst ganz still werden. Aber die Gefahr besteht ja ohnehin nicht. Aber ich vermute, dass sich die Spieler aus Rücksicht auf meine Gesundheit immer dazu entscheiden, früh aus dem DFB-Pokal zu fliegen. Denn ein Pokalspiel mit Verlängerung und Elfmeterschießen brauche ich nicht mehr (lacht).

Also muss man sich doch um Ihre Gesundheit sorgen? Ich habe nicht ein Spiel wegen Krankheit verpasst. Eine Geschichte in meiner Laufbahn zeigt, dass man, um so etwas zu erreichen, etwas Unvernünftiges machen muss. Bei einem Heimspiel gegen St. Pauli habe ich mich schwer verletzt. Da ist eine riesige Metallkiste die Treppe heruntergefallen und hat eine Holzverkleidung zerstört, wodurch ich einen Splitter in den Fuß bekommen habe. Hätte ich ein paar Stufen weiter oben gestanden, wäre ich vermutlich ums Leben gekommen. Ich wurde dann ins Krankenhaus gebracht und genäht. Ich sollte länger dort bleiben, weil die Verletzungen nahe an der Achillessehne waren. Fünf Tage später bin ich auf eigene Verantwortung raus, damit ich zum Spiel komme. Übrigens auch in Sandhausen. Ich hatte zwei Gehhilfen, in der Mixed Zone hat man mir einen Stuhl hingestellt, und ich konnte meine Interviews im Sitzen machen.

Können Sie nach einem Bochum-Spiel noch einschlafen? Nur sehr, sehr schwer. Das liegt aber daran, dass ich noch lange danach arbeite. Nach getaner Arbeit hilft zum Einschlafen auch mal ein Glas Wein (lacht).

Sie haben sehr viele Höhen und Tiefen des Vereins mitgemacht. Es gibt sicher zahlreiche Ereignisse, die Ihnen in Erinnerung geblieben sind. Oh ja. Allerdings fallen mir jetzt auf Anhieb erst einmal die ein, bei denen ich am meisten gelitten habe. Die Europapokal-Spiele gegen Standard Lüttich zum Beispiel. So etwas schafft nur der VfL: Ungeschlagen aus dem Wettbewerb fliegen. Nach einem 1:1 im Rückspiel zuhause, weil ein Brasilianer über den Ball haut. Das war ein Schock. Das geht aber weiter mit den zahlreichen Pleiten gegen unterklassige Mannschaften im DFB-Pokal.

Ich bin auch mal mit Spielern auf der Rolle gewesen. Aber das hat keiner geschrieben

Günther Pohl

Aber sicher gibt es auch positive sportliche Ereignisse. Ja, das legendäre 5:3 gegen Trabzonspor. Es war das erste Europapokal-Spiel. In Bochum erinnert man sich noch sehr genau an diese Spiele – so viele gab es davon ja nicht. Insgesamt waren es acht. Ich war bei allen dabei. Positiv waren neben Trabzonspor auch die Aufstiege, klar.

Sie sind mit der Mannschaft viel herumgereist. Da passiert doch sicher auch eine ganze Menge. Ja, aber früher ist viel mehr passiert. Dass es heute anders ist, ist massiv von den Medien beeinflusst worden. Früher wäre es ein Unding gewesen, dass ein Journalist, wenn er mit den Spielern unterwegs ist, davon Bilder macht und die dann veröffentlicht. Ich bin auch mal mit Spielern auf der Rolle gewesen. Aber das hat keiner geschrieben. Es hat auch feuchte Abende mit Trainern gegeben. An einem Tag war es so schlimm, dass der Trainer nicht auf dem Platz stand. In der Zeitung stand, dass er eine Magen-Darm-Grippe hatte. Und er war mit nacktem Oberkörper auf dem Balkon und hat Anweisungen geschrien. Der Umgang der Vereine mit Journalisten hat sich deshalb verändert, weil sich durch den Druck in der Medienlandschaft keiner mehr in der Lage sieht, so ein Ereignis zu vergessen. Denn der Konkurrent hätte es ja auch sehen können.

Sie sagten jedoch eingangs, dass der VfL diesbezüglich eine Oase ist. Wenn ich heute vier Spielern eine SMS-Nachricht schicke, bekomme ich vier Antworten.

Dann erzählen Sie doch mal von früher. Welche Anekdoten sind die schönsten? (überlegt lange) Einmal war es etwas verrückt. Da wurde der VfL von der Deutschen Fußball-Liga zu einer Asienreise eingeladen. Zu dem Zeitpunkt spielte Shinji Ono in Bochum – ein prominenter Japaner. Der Verein ist dann für drei Tage nach Yokohama geflogen. Ich bin hinterhergeflogen, 16 Stunden mit Zwischenstopp in Wien. Nur, damit ich beim Freundschaftsspiel bei den Yokohama Marinos dabei sein konnte. Das war übrigens auch ein Pflichtspiel, weil es von der DFL bestimmt worden war. Es war herrlich, in Japan zu sein und dann auch noch 15 VfL-Fans zu treffen, die einfach immer dabei sind. Das war reisetechnisch ein Highlight. An einen Abend im Trainingslager kann ich mich noch erinnern, da hat ein russischer Stürmer auf der Theke Kasatschok getanzt. Sergej Juran war das. Und wie Theofanis Gekas dort feiern konnte, war auch nicht von schlechten Eltern.

Da fehlt aber eine Anekdote. Stichwort Müllwagen. (lacht) Au ja! Gut, dass Sie das sagen. Das war nach dem Spiel gegen Trabzonspor. Wir waren abends in einer Disko in Bochum. Trainer Klaus Toppmöller war auch dabei. Am nächsten Tag war aber Training, wir mussten aber vorher noch frühstücken. Dann sind wir nach Bochum-Hiltrop zu einem Metzger gefahren, den ich kannte. Da haben wir in der Küche Frikadellen gegessen, zusammen mit den Müllmännern vom USB. Dann fiel Toppmöller auf, dass es schon recht spät war. Er und Ralf Zumdick standen dann hinten auf dem Müllwagen und sind so zum Training gefahren. Ich war dahinter im Taxi.

War so etwas mit anderen Trainern auch möglich? Was das Potential als Feierbiest angeht, kam nur Peter Neururer an Klaus Toppmöller heran.


Wie würde so eine Fahrt denn mit Gertjan Verbeek aussehen? Das habe ich noch nicht ergründen können. Ich habe erfahren, dass er ein sehr humorvoller, geselliger und intelligenter Mensch ist. Die Phase, Vertrauen zu schöpfen ist bei ihm sehr schwierig. Er kommt aus seinem Schneckenhaus nur sehr langsam heraus. Das habe ich allerdings schon einmal bei Marcel Koller erlebt. Wir stehen aber heute regelmäßig in Kontakt.

Wie kam es dazu? Als wir zum ersten Mal miteinander ausgegangen sind, waren wir in einem großen Bochumer Lokal. Da gibt es ein Messingschild auf einem Tisch mit der Aufschrift „Reserviert für Günther Pohl“. Er fragte, was er tun müsste, um auch einen reservierten Platz zu bekommen. Ich habe gesagt, dass er die Heimspiele gegen Dortmund und Schalke in einer Saison gewinnen muss. Das hat er geschafft. Er hat dann das Messingschild direkt neben mir bekommen.


Woran liegt es denn, dass Gertjan Verbeek nicht flächendeckend so wahrgenommen wird, wie Sie es eben geschildert haben? Er ist in seiner Arbeit mit den Medien im Grunde das Gegenteil von Peter Neururer. Bei Peter war es so: Man ist in die Pressekonferenz gekommen, musste nur wach werden und irgendeinen Blödsinn erzählen. Er hat trotzdem immer informative Antworten gegeben. Verbeek ist da anders. Er würde eher fragen, was man da erzählt.

Wer ist Ihr Favorit unter den VfL-Trainern? Es sind zwei: Klaus Toppmöller und Marcel Koller.

Wenn Herbert Grönemeyer singt „Heimat ist ein Gefühl“, dann habe ich dieses Gefühl in Bochum

Günther Pohl

Welche Persönlichkeiten haben in Ihrer Karriere eine große Rolle gespielt? Als Berufskollegen schätze ich vor allem Werner Hansch, der mir bei meinen ersten Schritten als Kommentator sehr geholfen hat. Zum anderen ist das Benno Weber, der samstags eine RTL-Hörfunksendung hatte. Und natürlich Uli Homann vom RevierSport.

Kann man behaupten, dass der VfL Bochum nicht nur ein Verein, sondern Ihr Lebensinhalt ist? Ja. Wenn Herbert Grönemeyer singt „Heimat ist ein Gefühl“, dann habe ich dieses Gefühl in Bochum.

Haben Sie irgendwo im Testament festlegen lassen, dass Sie im VfL-Trikot beerdigt werden? Ich habe überhaupt keine Zeit, über so etwas nachzudenken. Ich möchte noch viel reisen, mit dem Verein viel erleben. Vielleicht gewinnt der VfL aus Versehen ja doch noch etwas. Und das will ich miterleben.

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