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EM 2016
Griezmann schießt Deutschland raus

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Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger, DFB, Deutsche Nationalmannschaft, Nationalmannschaft
Thomas Müller, Bastian Schweinsteiger, DFB, Deutsche Nationalmannschaft, Nationalmannschaft Foto: firo
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Das war's mit dem Titel. Nach dem 0:2 (0:1) gegen Gastgeber Frankreich ist Deutschland im Halbfinale aus der EM ausgeschieden. Antoine Griezmann traf doppelt.

Verzweifelt gingen die Blicke hinter dem Ball her. Hinter diesem Ball, der so aufreizend langsam an den verschiedenen deutschen Abwehrbeinen vorbei Richtung Tor kullerte. Irgendwas musste doch zu machen sein, irgendwie musste er doch aufzuhalten sein und sei es mit einem Blick der deutschen Nationalspieler. Das war er nicht. Der Ball, von Stürmer Antoine Griezmann geschossen, nahm seinen Weg und das deutsche Unglück seinen Lauf. Es war der zweite Treffer des französischen Nationalspielers in dieser Partie. Er machte aus einer Ahnung Gewissheit: Der deutsche Traum, nach dem Weltmeister-Titel von 2014 auch den Thron Europas besteigen zu können bei dieser EM in Frankreich, platzte in diesem Augenblick in Marseille jäh. Im Finale am kommenden Sonntag stehen sich der Gastgeber und Portugal gegenüber. Deutschland fährt als die höher veranlagte Mannschaft nach Hause.

Joachim Löw hatte sich für diese Partie erneut etwas Neues ausdenken müssen. Die Sachlage im defensiven Mittelfeld war nach der Verletzung von Sami Khedira und der Knie-Blessur von Bastian Schweinsteiger in den Tagen vor der Partie höchst angespannt. An der Seite des Kapitäns tauchte überraschend Emre Can auf. Der Profi des FC Liverpool gab sein Debüt. In Frankreich. Gegen Frankreich. Eine echte Aufgabe.

Als die "Marseillaise" aus dem Stadion gewichen und die Gänsehaut von den Menschen verschwunden war, starteten die Gastgeber wie erwartet. Wuchtig. Nach nur 20 Sekunden landete der Ball das erste Mal bei Torwart Manuel Neuer, Jerome Boateng war so sehr unter Druck geraten, dass sein Rückspiel bestenfalls als suboptimal zu bezeichnen war. Neuer löste die Sache, aber die Deutschen - das war zu merken - waren beeindruckt. Von der Kulisse, von den Fans in diesem bebenden weißen Gewölbe, das da mitten in der Stadt an der Erdoberfläche steht und sich an die Wohnbebauung schmiegt. Es sollte ein großer Abend werden, nicht nur die Nachbarschaft sollte unter dem Adrenalin des Abends zittern, sondern das ganze Land. So hatte es die führende französische Sporttageszeitung "L'Equipe" am Donnerstag auf ihrer Titelseite gefordert: "Jour de Gloire" - der Tag des Ruhms. Und beinahe hätte es schon früh genau danach ausgesehen. Nach sechs Minuten kombinierten die Blauen die Weißen erschreckend leicht auseinander, Antoine Griezmann aber scheiterte am gestreckten Neuer.

Doch der Weltmeister wachte schnell danach auf. Seine Außenverteidiger Jonas Hector und Joshua Kimmich schickte Löw in eigenem Ballbesitz so weit nach vorn, dass sie zeitweise auf einer Linie mit dem einzigen Stürmer Thomas Müller agierten. Cans flache Hereingabe auf Müller schoss dieser aber am Tor vorbei (13.). Eine Minute später zog Can von der Strafraumgrenze ab, aber Hugo Lloris lenkte den Ball um den Pfosten. Vom lärmenden Inferno blieb in der Folgezeit wenig übrig. Mit langen Passfolgen bewegten die Deutschen den Gegner über den Platz, suchten Lücken für den entscheidenden Moment. Aber die blaue Wand erwies sich als höchst widerspenstig. Lloris wischte einen Schuss von Schweinsteiger über die Latte (26.), Julian Draxler und Müller stocherten kurz später nach einer Hereingabe ohne Erfolg nach dem Ball. Die Menschen auf den Tribünen raunten über die Missverständnisse ihrer Heim-Mannschaft. Und selbst Vielversprechendes in der Offensive vermochten die Deutschen zu zerstören. Olivier bot sich eine Kontergelegenheit, er strebte mit Ball auf das Tor zu, als ihn Benedikt mit einer epischen Grätsche stoppte. Ein Moment voller Energie. Ein Zeichen. Eines, das schnell erlosch.

Eine Ecke der Franzosen flog in den Strafraum und das deutsche Unglück nahm seinen Lauf. Den Kopfball von Patrice Evra stoppte Schweinsteiger mit dem Arm. Der italienische Schiedsrichter Nicola Rizzoli entschied auf Elfmeter - hart, aber vertretbar. Griezmann lief an, schoss nach links - und löste die nationale Verkrampfung (45.). Es war der fünfte Treffer des Toptorjägers bei dieser EM - und mit Sicherheit der lauteste.

Deutschland in Rückstand - das hatte es bei diesem Turnier noch nicht gegeben. Nur einen Gegentreffer hatte die DFB-Auswahl bis zum Halbfinale kassiert, nun stand sie vor der immensen Aufgabe, gegen die Heimnation zurück zu kommen.

Doch der Schreck war tief in die Trikots gefahren, das war selbst nach der Pause noch zu spüren. Frankreich war der Vorentscheidung näher. Einen Schuss von Giroud blockte Jerome Boateng im letzten Moment ab, einen Versuch von Giroud klärte der Abwehrchef zur Ecke (47.). Die Selbstverständlichkeit, mit der die deutsche Mannschaft große Teile der ersten Halbzeit dominiert hatte, schien fort. Und Besserung schien erstmal nicht in Sicht, weil Joachim Löw zu weiteren Veränderungen in seinem von Verletzungen geplagten Kader gezwungen war. Boateng humpelte nach einer Stunde nur noch über das Feld. Auch er stand in der entscheidenden Phase des Spiels nicht mehr zur Verfügung. Statt Hummels und Boateng verteidigten nun Shkodran Mustafi und Höwedes.

Ersterer erlebte einen unschönen Abend. Gute zehn Minuten war er auf dem Feld, als ihn ein Fehlpass Kimmichs in die missliche Lage brachte, die Flanke von Paul Pogba nicht unterbinden zu können. Neuer hantierte am Ball herum, er sprang vor die Füße von Griezmann - und von dort kullerte er hinein in die deutsche Enttäuschung. Kimmichs Pfostenschuss (74.) und Draxlers Freistoßchance änderten nichts mehr. Der Weltmeister war geschlagen.

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