Westfalia Herne

"Wir bleiben weiter demütig"

Mit sechs Punkten lag der Traditionsklub nach der Hinrunde abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Holger Wortmann, der die Mannschaft Mitte Oktober übernahm, mahnte immer wieder: "Wer uns jetzt bereits abschreibt, der wird sich noch wundern." Der 48-Jährige wurde nicht von wenigen Experten belächelt. Von "Durchhalteparolen" war da die Rede. Doch Wortmann und sein spielender Co-Trainer Manuel Bölstler ließen mit einer neuformierten Mannschaft im Kalenderjahr Taten folgen. Zuletzt folgten 13 Punkte aus fünf Spielen und plötzlich ist die Westfalia wieder dran.

Herne trennen nur noch sieben Punkte vor dem ersten Nichtabstiegsplatz. Dabei haben die Blau-Roten ein (im Vergleich zur Hammer Spielvereinigung) beziehungsweise zwei Spiele (im Vergleich zur TSG Sprockhövel und SuS Neuenkirchen) weniger absolviert als die Konkurrenz. Wortmanns Westfalia-Wunder scheint zum Greifen nahe zu sein. RevierSport unterhielt sich mit dem Herner Cheftrainer, der mit fünf Siegen, zwei Remis und sechs Niederlagen seit seiner Amtsübernahme eine vorzeigbare Bilanz vorzuweisen hat. Die Statistik vor Wortmann: kein Sieg, zwei Unentschieden, fünf Niederlagen!

Holger Wortmann, was haben Sie im Winter mit der Westfalia gemacht? Ganz einfach: wir haben gemeinsam mit Manuel Bölstler eine neue Mannschaft aufgebaut und diese hat eine ganz andere Mentalität als die Truppe aus der Hinrunde. Diese war, so hart muss man das sagen, einfach nicht von Oberliga-Format. Bis auf Sebastian Mützel, Dennis Gumpert und Onur Özbicerler steht kein Spieler aus der Hinrundenmannschaft mehr in der Startelf. Das sind alles unsere Winter-Neuzugänge. Spieler wie Christian Luvuezo, Fatmir Ferati oder Fatlum Zaskoku sind einfach von einem ganzen anderen Format und wissen, wie Abstiegskampf geht.

Nichtsdestotrotz ist das neue Team mit zwei 1:2-Niederlagen gegen Hüls und Sprockhövel in die Rückrunde gestartet... Ja, und für viele sind wir spätestens nach diesen Partien abgestiegen. Viele haben uns für mausetot erklärt. Doch genau diese Spiele, allen voran das Sprockhövel-Match, hat den Jungs noch zusätzliche Kraft gegeben. Danach haben wir Zweckel weggehauen und Erkenschwick nach dreimaligen Rückstand geschlagen. Das beweist einfach, welch große Moral die Jungs besitzen und welche Mentalität sie verkörpern. Sie wollen jedes Spiel gewinnen. "Manu" und ich mussten der Mannschaft immer wieder erzählen, wie gut sie ist und das noch alles drin wäre, jetzt ist es für uns viel einfacher. Der Punkt nämlich, dass die Jungs auf die Tabelle schauen und uns plötzlich alles glauben, was wir erzählt haben.

Welche Rolle spielt Bölstler in dieser erfolgreichen Zeit? Eine sehr große Rolle. "Manu" ist mein Co-Trainer und verlängerter Arm auf dem Platz. Wir denken und ticken gleich. Er kann aktiv in das Spielgeschehen eingreifen und durch seine Lautstärke, seine klaren Anweisungen, die Jungs auf dem Platz mitziehen und zusätzlich pushen. Von der Seitenlinie kann man das nur sehr begrenzt tun. Ich freue mich unheimlich, dass wir uns gefunden haben und in Herne zusammenarbeiten können.

Es läuft so gut, da scheint der Klassenerhalt nur noch Formsache zu sein. Oder würden sie dieses Ziel immer noch als Wunder bezeichnen? Wir arbeiten weiter an einem großen Fußball-Wunder. Das ist einfach so. Wir hatten sechs Punkte nach der Hinrunde und sind wieder mit zwei Niederlagen in die Rückserie gestartet. Das muss man sich alles vor Augen halten. Wir haben im Winter auch keinen Cristiano Ronaldo oder Messi eingekauft, sondern Jungs, die anpacken, die bis zum Ende kämpfen. Deshalb bleiben wir weiter demütig. Wenn jemand überheblich wird, dann hauen "Manu" und ich sofort dazwischen. Wir haben noch nichts erreicht, außer, dass man uns plötzlich wieder ernst nimmt. Wir müssen weiter alles reinpfeffern.

Spüren Sie im Umfeld eine Art Aufbruchstimmung aufgrund der jüngsten Erfolge? Auf jeden Fall. Die Zuschauer unterstützen uns hervorragend und es kommen wieder alte Westfalia-Schlachtgesänge auf. Das pusht die Mannschaft unheimlich. Natürlich gibt es immer ein paar Leute, die auch jetzt noch meckern. Aber das wird es im Fußball immer geben. Ich habe auf der Pressekonferenz nach dem 2:0-Sieg über Stadtlohn eine Fanstimme gehört, die besagte, dass die Mannschaft alles reinhaut und dann werden auch Fehler verziehen. Genau diese Einstellung wollen die Fans in Herne sehen. Wir haben nach der Partie in Ahlen drei Heimspiele in Serie. Wenn die Mannschaft weiter so vorbildlich Gras frisst und die Leidenschaft auf die Ränge übermittelt wird, dann könnten wir nach diesem Heimspiel-Dreierpack dem Wunder von Herne wieder ein Stück näher gekommen sein.