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Nach Salafisten-Demo
Ein Hooligan packt aus

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Nach Salafisten-Demo: Ein Hooligan packt aus
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Hooligans und Nazis gingen zusammen gegen Salafisten auf die Straße: Die Demonstration eskalierte, bei den Kölner Krawallen am 26. Oktober wurden 44 Polizisten verletzt.

Entsteht hier eine neue Art von hochexplosiver Gewalt? Begegnung mit einem Alt-Hooligan, der über die Szene spricht.

Gemeinsam mit einem Kumpel wuchtet er die Couch in den fünften Stock. Sie setzen sie im Treppenhaus kein einziges Mal ab, aber als sie in seiner Wohnung ankommen, läuft ihm der Schweiß im Rinnsal über den kahlgeschorenen Schädel. Auf einer Ablage im Flur liegen seine Hanteln, er geht immer noch ein paar Mal die Woche trainieren und knallt einen Tritt nach dem anderen in die Pratzen. Aber mit Ende Vierzig hinterlässt das Alter auch bei ihm seine Spuren. „Früher war alles noch einfacher“, sagt er, und während er mit einem Handtuch über die Stirn wischt, fragt man sich, ob er das Möbelpacken meint oder die Zeit, wo er den Fußball für sich entdeckte .

Gefunden auf …

Wer auf sein T-Shirt schaut und sich ein wenig auskennt, weiß, dass Andreas S. (Name geändert) Alt-Hooligan ist, einer von denen, die er selber „normales Fußball-Volk“ nennt. Seine Biografie ist gefundenes Fressen für jene, die es sich leicht machen wollen: schwierige Kindheit, in der Jugend längere Heimaufenthalte. Als junger Mann wird er häufig straffällig, seine Lektionen lernt er auf der Straße. Bei einer Busfahrt zu einem Auswärtsspiel zündet er einen Sitz an, um den Fahrer nach hinten zu locken, während dieser versucht, das Feuer zu löschen, klaut er vorne die Kasse. Schon da funktioniert er nur noch nach eigenen Regeln.

Die Hooligan-Szene kennt er aus dem Effeff, in ihrer Hochphase steht er in vorderster Reihe. Er ist regelmäßig in Schlägereien verwickelt, mehrfach wird er verhaftet. Von Landfriedensbruch bis Gefangenenbefreiung macht er das ganze Programm mit. In Hamburg werden er und seine Jungs einmal solange verprügelt, bis sie sich den Respekt ihrer Gegner verdient haben, anschließend ziehen beide Gruppen gemeinsam über den Kiez und feiern den Rest der Nacht durch. So war das früher geregelt.

Hausmeister im Rotlicht-Milieu

Heute verdient er sein Geld als Hausmeister im Rotlicht-Milieu. Mal wechselt er ein paar rote Lampen aus, mal macht er einem Freier deutlich, wie man sich gegenüber einer Dame benimmt. Dass er bei seiner Arbeit besonderen Wert auf die Herkunft seiner Mitmenschen legt, verneint er. „Ich musste mich früher schon rechtfertigen und erklären, dass ich kein Nazi bin“, sagt er und deutet auf seinen Kopf. „Wegen der Glatze.“

Die Vorgänge rund um die Demonstration in Köln betrachtet er nur aus der Ferne, auch aus seinem Kreis ist ihm niemand bekannt, der mit dabei war. „Jeder, der halbwegs bei Verstand ist, lässt die Finger davon“, sagt er. „Als ich das erste Mal davon hörte, bin ich runter in meine Stammpinte und hab dem Wirt erzählt, wie bescheuert das ist: Hooligans zusammen mit Nazis und Kurden gegen Salafisten, oder was sollte das geben?“ Die Kneipe, die er meint, liegt nur ein paar Schritte entfernt. Der Wirt ist Türke und sein Laden jahrelang Stammlokal einer Fußball-Crew, der man nachsagt, dass sie rechtsoffen bis rechtsradikal ist. Nur ein Beispiel dafür, dass in der ganzen Sache viel Widersprüchliches steckt.

Weiter Zwischenfälle in Essen und Dortmund

Die Couch steht mittlerweile am richtigen Fleck. „Die Nummer in Gladbach konnte man noch halbwegs nachvollziehen“, sagt er und packt Bier in den Kühlschrank. Dort hatte der Islamist Pierre Vogel im Februar zu einer Kundgebung aufgerufen und damit vom DGB bis zu den Grünen alles in Aufruhr versetzt. Auch an die fünfzig Hooligans versammelten sich und störten die Kundgebung vehement. „Das war noch spontan und folgte dem Impuls, dass einer sich endlich gegen die Salafisten zur Wehr setzen muss. Um mehr ging es da nicht.“

Es folgten weitere Zwischenfälle in Essen und Dortmund, aber spätestens mit Köln nahm die Entwicklung für ihn keinen guten Verlauf. Die Demo meldete Pro NRW an, Rechtsextreme waren vor Ort. „Das Problem ist, dass es jetzt heißt, dass alle Hooligans rechtsradikale Vollidioten sind, was nicht der Wahrheit entspricht“, sagt er. Das Ausmaß der Krawalle überrascht ihn nicht. „Dass es dort knallt, war klar. Wenn du tausend Leute von einem solchen Schlag auf einem Fleck hast, reicht ein Funke. Aber klar war auch, was man nach diesem Tag über Hooligans sagen wird.“ Neben ihm steht der Kerl mit Hitlergruß

Die Romantik des Fußballs behauptet, dass er die Unterschiede zwischen den Menschen verwischt. Fußball ist ein Spiel um einen Ball, nur ob einer gut kickt, sollte Maßstab für Achtung und Erfolg sein. Über die Hooligans alter Schule könnte man Ähnliches sagen. Sie verstehen unter „Sport frei!“, dass Gewalt mit im Spiel ist, Fäuste entscheiden über Wertschätzung und Respekt. Den Satz „Politik hat beim Fußball nichts zu suchen“ würden Hools wie er sofort unterschreiben. Das ist die Theorie, aber schon unter Alt-Hooligans wird es schwierig. Sigi Borchardt, bekennender Neo-Nazi führte jahrelang die Dortmunder Borussenfront an.

Vielleicht war der Fußball tatsächlich mal simpler gestrickt, aber spätestens seit Köln ist es kompliziert. Die Zeiten sind insgesamt ruhiger geworden, aber sollte es eskalieren, wird der Hausmeister aus dem Rotlicht-Milieu wahrscheinlich trotz seines Alters wieder mittendrin sein im Geschehen. Neben ihm steht dann womöglich der Kerl, der zur Begrüßung den Hitlergruß macht, man kennt sich seit Jahren, daneben der Typ mit dem jüdischen Namen, der mal einen NPD-Anhänger aus einer Kneipe verjagte, als dieser dort Nachwuchs anzuwerben versuchte. Hooligans können solche Widersprüche brutal ignorieren, aber fest steht: Viele von ihnen ließen sich schon als junge Männer nichts sagen, und es bleibt zu vermuten, dass dem bis heute so ist. Was das für die Zukunft bedeutet, steht dabei noch in den Sternen.

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