Ralf Wilhelm von der WAZ redet mit Welling über schützenswerte Kulturgüter, Trainerwechsel, Söldnertruppen sowie den Abschied von Kult- und Identifikationsfigur Vincent Wagner.
Michael Welling, wie fühlt es sich gerade an, so kurz vor dem Saisonstart? Es prickelt, die Vorfreude wächst; schön, dass es los geht.
Aber irgendetwas scheint dieses Jahr anders: Die lange Zeit fast familiäre Atmosphäre nach der Insolvenz ist einer kühlen, mitunter fast kaltherzigen Professionalität gewichen. Verstehen Sie die Bedenken der Fans? Ich sehe das natürlich etwas anders. Was richtig ist, ist, dass wir nach der für uns alle extrem enttäuschenden Vorsaison Veränderungen vornehmen mussten. Angefangen bei der Entscheidung zur weiteren Professionalisierung durch die Installation eines Vorstands Sport. Ich stelle provokant die Gegenfrage: Hätten wir mit Blick auf die enttäuschende Vorsaison mit dem gleichen Spielerkader in die neue Saison gehen sollen?
Ein langjähriger Fan sagte, es soll ihm keiner mehr kommen mit dem schützenswerten Kulturgut, das gebe es nicht mehr. Was antworten Sie dem? Für mich bedeutet schützenswertes Kulturgut, dass der Verein von seiner wechselvollen Historie der besonderen Spieler, Trainer und Funktionäre, die den Verein geprägt haben, und seiner phänomenalen, leidenschaftlichen und leidensfähigen Fans her etwas ganz Besonderes ist. Ein Stück Fußballkultur, das hat nichts mit kurzfristigen Betrachtungsweisen zu tun.
Überspitzt gefragt: Was unterscheidet RWE 2014 noch von Viktoria Köln und ihrem Söldnertum? Erstens: Siehe die Antwort davor. Zweitens: Wenn wir uns anschauen, was für vielversprechende junge Spieler wir verpflichtet haben, dann geht es an der Realität vorbei, hier auch nur ansatzweise von Söldnertruppe zu sprechen.
Trotzdem, die Abstimmung des Publikums läuft, der Dauerkartenverkauf zum Vorjahr ist rückläufig, die Fans scheinen zögerlich. Wenn wir uns die Ergebnisse der Vorsaison anschauen, wo wir beispielsweise gegen die drei Aufsteiger Lippstadt, Uerdingen und Wattenscheid jeweils nicht über ein Unentschieden hinausgekommen sind, dann kann man eine gewisse Form von Enttäuschung verstehen.
Fast alle sind würdig verabschiedet worden, nur der Trainer, der die Trümmerarbeit nach 2010 geleistet hatte, nicht. Wäre es nicht ein Zeichen von Größe und Würde gewesen, man hätte Waldi Wrobel auch auf dem Rasen verabschiedet? Keine Trainerentlassung ist schön. Wir haben uns im März entschieden, nicht mehr mit Waldi Wrobel weiterzuarbeiten. In dem Moment hat sicherlich niemand daran gedacht, hier eine öffentliche Verabschiedung mit Blumen zu realisieren, vor den Fans, die vorher „Wrobel-raus” skandiert haben. Auch eine solche Entscheidung ist immer mit Enttäuschung verbunden. Wir haben, das freut mich persönlich sehr, inzwischen wieder ein besonderes, herzliches Verhältnis zu Waldemar Wrobel. Waldi wird immer gern gesehener Gast bei uns sein.
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