Der 26-jährige Schlussmann, der ins siebte Jahr beim VfL geht, ist kaum aus der Ruhe zu bringen, und Torwarttrainer Peter Greiber hat einmal gesagt: „Den kannst du nachts um drei Uhr aus dem Bett schmeißen, der hat Nerven wie Drahtseile.“
Die wird er vielleicht auch brauchen, denn durch die Verletzung von Kapitän Andreas Luthe, der sich beim 3:1-Testspielsieg gegen den VfL Wolfsburg einen Muskelfaserriss im Leistenbereich zuzog, sind die Chancen für Esser nicht nur am Freitag beim Testspiel in Österreich, sondern auch gut eine Woche später beim Saisonauftakt gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth zum Einsatz zu kommen, schlagartig gestiegen.
Während die nächsten Tage für Luthe zum Wettlauf gegen die Zeit werden, steht sein Mannschaftskollege unaufgeregt zwischen den Pfosten.
Die Verletzung des Stammtorwarts hat Trainer Peter Neururer zwar bedauernd zur Kenntnis genommen, hat aber im nächsten Atemzug das wiederholt, was er schon vor einem Jahr einmal gesagt hatte: „Meine beiden Torhüter befinden sich absolut auf Augenhöhe.“ Und zu Wochenbeginn fügte der Übungsleiter gelassen hinzu: „Auf der Torhüterposition mache ich mir die wenigsten Sorgen.“
Esser sieht die momentane Situation völlig emotionslos: „Ich habe jetzt die Chance, bei der Generalprobe zu spielen und ich hoffe natürlich auch auf weitere Einsätze. Klar will ich spielen – würde ich etwas anderes sagen, würde ich lügen.“
Dabei verändert die mögliche Einsatzchance nichts im Tagesablauf des Schlussmannes: „Ich bereite mich in jeder Woche genauso vor, als ob ich spielen würde. Alles andere wäre total unprofessionell.“ Der Familienvater aus Castrop-Rauxel hat während seiner sechs Jahre im VfL-Trikot nie ernsthaft über einen Wechsel zu einem anderen Verein nachgedacht: „Ich spiele bei einem tollten Klub, habe hier ein vertrautes, familiäres Umfeld. Da überlegt man zweimal, ob man den Klub wegen ein paar Euro mehr verlässt.“
Überhaupt hat der Torwart rund anderthalb Wochen vor dem Saisonstart ein gutes Gefühl: „Wir haben hier richtig positive Typen, da ist keiner dabei, der gegen den Strom schwimmt. Wir haben uns sehr gut verstärkt und meine ersten Eindrücke stimmen mich optimistisch.“
Weniger optimistisch ist Michael Esser, was die Torwartkarriere seines fünfjährigen Sohnes Tom angeht. Der musste bei seiner Premiere zwischen den Pfosten des SV Wacker Obercastrop nicht weniger als 15 Mal den Ball aus dem Netz holen. Esser: „Jetzt will er doch lieber Feldspieler werden.“
Ins rewirpowerSTADION wollte er ebenfalls nicht so gern. Die Erfolgslosigkeit im eigenen Stadion ließ Tom das Interesse am VfL Bochum zwischenzeitlich verlieren. Esser lässt sich von Rückschlägen nicht so leicht entmutigen. Auch nicht, wenn man ihn daran erinnert, dass er vor einem halben Jahr fast den Einzug ins „Guiness Buch der Rekorde“ geschafft hätte. Zunächst wurde er samstags beim Spiel der U23 in der 90. Minute im Regionalliga-Spiel gegen Uerdingen kalt erwischt.
Einen Tag später kam er dann bei den Profis in Sandhausen zum Einsatz. Eingewechselt nach dem Feldverweis für Luthe, hielt Esser einen Elfmeter von Julian Schauerte. Doch auch diesmal kam es knüppeldick: Wie schon am Vortag musste er in der Nachspielzeit den entscheidenden Treffer hinnehmen. Nicht einmal 24 Stunden lagen dazwischen. Esser: „Da muss man durch. So etwas passiert nur einmal im Fußballleben.“