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Hertha Hamborn
Kritik am Verfahren, keine Berufung

Hertha Hamborn: Offener Brief in Sachen Ikenna Onukogu
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Nach der Verhandlung des Falls "Ikenna Onukogu", mit dessen Ausgang Hertha Hamborn alles andere als zufrieden ist, wendet sich der Verein an die Öffentlichkeit.

Im Folgenden der offene Brief von Verein und Spieler im Wortlaut

Wie Sie wissen, wurde Ikenna Onukogu am 4. April 2013 von der Bezirksspruchkammer für weitere sechs Wochen ab Verkündung der Entscheidung gesperrt. Die Kammer sah ein sportwidriges Vorverhalten (offenbar von Seiten der Bottroper Zuschauer), nicht aber den Vorwurf rassistischer Beleidigungen als erwiesen an.

Wir möchten hiermit unsere große Enttäuschung über diese Entscheidung zum Ausdruck bringen. Ikenna Onukogu fühlt sich von der Bezirksspruchkammer unverstanden und empfindet ihre Entscheidung als zutiefst ungerecht. Man konnte nach seinem Eindruck, den wir als Verein ausdrücklich teilen, nicht immer erkennen, dass das abstrakt von der Verbandsseite bekundete Interesse an der unvoreingenommenen Aufklärung der Rassismusvorwürfe tatsächlich das konkrete Handeln der Bezirksspruchkammer leitete. Dies machen wir vor allem an drei Umständen fest:

Erstens sprach die Kammer sechs Tage nach dem Spiel eine vorläufige Sperre „zur Sicherung des Sportverkehrs“ gegen Ikenna Onukogu aus, obwohl bereits vier Tage zuvor in Presseberichten (insbesondere in der WAZ vom 5. März) über den Rassismusvorwurf berichtet worden war. Erst mehr als zwei Wochen später, nachdem auch überregionale Medien sich des Falls angenommen hatten, wurde die vorläufige Sperre wieder aufgehoben. Nach dem offiziellen Verbandsstatement geschah dies aufgrund der aus der Presse „nachträglich bekannt gewordenen Begleitumstände“. Da diese Begleitumstände aber bereits vier Tage vor der Mitteilung der Sperre öffentlich bekannt waren und auch von uns sofort nach Verkündung der vorläufigen Sperre an den Verband kommuniziert wurden, können wir diese offizielle Begründung nur schwer nachvollziehen. Vielmehr können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass die Vorwürfe zunächst nicht ernst genug genommen wurden und sich die Kammer erst aufgrund der starken bundesweiten Aufmerksamkeit dazu genötigt sah, sich hiermit wirklich auseinanderzusetzen.

Bestärkt wird dieser Eindruck zweitens dadurch, dass wir nach Ausspruch der vorläufigen Sperre trotz ausdrücklichen Hinweises auf die Rassismusvorwürfe von einem Verbandsmitarbeiter telefonisch die ernüchternde Auskunft erhielten, wir könnten zwar gegen die vorläufige Sperre Einspruch erheben, dieser sei jedoch kostenpflichtig und werde ohnehin keinen Erfolg haben. Davon abgesehen, dass wir diese Äußerung ganz generell für inakzeptabel halten, hätten wir uns jedenfalls in einem Fall, in dem der Vorwurf rassistischer Beleidigungen im Raume steht, eine deutlich sensiblere Herangehensweise des Verbands gewünscht.

Drittens waren wir höchst erstaunt darüber, dass die Bezirksspruchkammer in der Verhandlung am 4. April von sich aus keinerlei Anlass sah, Ikenna Onukogu zu den Rassismusvorwürfen auch nur zu befragen. Vielmehr wurden ihm ausschließlich Fragen zu dem Flaschenwurf und dem darauf folgenden Handgemenge gestellt. Nach Behandlung dieses Sachverhaltsteils verkündete die Kammer, keine Fragen mehr an Herrn Onukogu zu haben, und erkundigte sich bei unserem Rechtsanwalt, ob er noch Fragen hätte. Erst nachdem dieser die Befragung auf die vorangegangenen Provokationen richtete, stellte die Kammer einige (erkennbar kritische) Nachfragen hierzu. Dieses Vorgehen der Bezirksspruchkammer ist für uns schlicht unverständlich und vermittelt alles andere als den Eindruck, dass verbandsseitig ein echtes Interesse an einer unbefangenen Aufklärung der Rassismusvorwürfe besteht. Selbst wenn man einen rein juristischen Maßstab anlegen wollte, wären diese Vorwürfe für die Beurteilung des Falls zentral – mit ihnen wurde ja auch die Aufhebung der vorläufigen Sperre begründet – und wären daher von der Bezirksspruchkammer mit derselben Eifrigkeit zu untersuchen gewesen wie die Handlungen von Ikenna Onukogu.

Wir möchten dem Verband ausdrücklich keinen bösen Willen unterstellen, sind aber der Meinung, dass mit dem Fall nicht angemessen umgegangen wurde. Von einem jederzeit „korrekten, professionellen und fairen Verfahren“ – so wird ein Verbandssprecher auf SPIEGEL Online zitiert – können wir nach dem soeben Ausgeführten jedenfalls nicht sprechen. Auch die Äußerung des Sprechers, man habe nicht allein aufgrund von „Annahmen“ eine Entscheidung zugunsten von Ikenna Onukogu fällen können, empfinden wir als sehr unpassend. Selbstverständlich stand es der Bezirksspruchkammer frei, dem Wort Ikenna Onukogus und den unterstützenden Zeugenaussagen von einem Zuschauer und einem Mitspieler keinen Glauben zu schenken. Dass ein Verbandssprecher diese Aussagen aber als bloße „Annahmen“ abkanzelt, lässt nicht gerade auf eine unbefangene und ergebnisoffene Untersuchung der Rassismusvorwürfe durch den Verband schließen.

Trotz der soeben dargelegten Kritik und obwohl wir die Entscheidung vom 4. April für enttäuschend und inhaltlich falsch halten, haben Ikenna Onukogu und wir als Verein nach langer Abwägung entschieden, gegen die Entscheidung keine Rechtsmittel einzulegen. Der Grund hierfür ist, dass die Vorkommnisse am 3. März eben nicht nur eine juristische Dimension haben, welche die Einlegung von Rechtsmitteln nahelegt, sondern auch eine menschliche. Wie für alle Teilnehmer der Verhandlung am 4. April erkennbar war, steht Ikenna Onukogu seit Wochen unter enormer psychischer und emotionaler Belastung. Viele schlaflose Nächte vor und nach dem 4. April sind nur eine besonders sichtbare Folge hiervon. Berufung und gegebenenfalls Revision im Verbandsverfahren einzulegen und anschließend womöglich noch Klage vor einem unabhängigen (Schieds-)Gericht zu erheben, würde den Ausnahmezustand, in dem sich Ikenna Onukogu und zu einem geringeren Ausmaß auch die Verantwortlichen des Vereins seit Wochen befinden, noch einmal um viele Wochen oder eher Monate verlängern. Von zeitlichen, organisatorischen und finanziellen Beschränkungen abgesehen fehlt uns, allen voran Ikenna Onukogu und seiner Familie, hierzu die Kraft.

Wir würden uns sehr wünschen, wenn die Vorfälle vom 3. März unabhängig von den juristischen Konsequenzen in diesem Einzelfall zumindest als Anlass dienen würden, ganz generell den Kampf gegen Rassismus im Fußball, insbesondere auch in den unteren Ligen, noch deutlich zu verstärken. Es wäre schön, wenn die bereits bestehenden allgemeinen Bemühungen der Verantwortlichen im Fußball, Rassismus entschlossen entgegenzutreten, auch in konkreten Fällen erkennbar würden. Gegen Rassismus zu kämpfen bedeutet für uns auch, entsprechende Vorwürfe von Anfang an ernst zu nehmen. Daher verbinden wir mit unserem offenen Brief die Hoffnung, dass derartige Fälle von Seiten des Verbands in Zukunft deutlich anders gehandhabt werden.

Abschließend möchten Ikenna Onukogu und wir als Verein diesen offenen Brief dazu nutzen, uns zu bedanken für die Anteilnahme, die Ikenna Onukogu in den letzten Wochen aus vielen Richtungen erreicht hat. Insbesondere dass sich auch Trainer und Spieler von Dostlukspor Bottrop direkt nach dem Spiel bei ihm für das Verhalten der betreffenden Zuschauer entschuldigt haben, hat Ikenna Onukogu sehr gut getan.

Mit sportlichen Grüßen, Ikenna Onukogu, Christian Birken (1. Vorsitzender), Aydin Erdal (Trainer)

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