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Zwischen den Polen
Krake-Paul: Nachfolger aus Herne?

Zwischen den Polen: Krake-Paul: Nachfolger aus Herne?
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Public Viewing. Es läuft die letzte Viertelstunde der Begegnung Tschechien - Griechenland. Ralf „Das Orakel“ Piorr und ich spielen verbales Tiki-Taka vom Feinsten.

Moderation auf der Doppelsechs. Dann passiert es. Ich gebe zu, ich habe es nicht kommen sehen. Kalt erwischt. Zuvor schenken wir uns nichts. Mit Augenzwinkern stelle ich ihn als meinen Anlageberater und Tippkönig vor. Das Publikum wünschte sich inzwischen, er tippe gegen uns, damit wir gewinnen, heißt es. Er kontert. Vergisst nicht zu erwähnen, dass Köln zweitklassig ist. Aua. Was sich neckt, das liebt sich. Naja, das schätzt sich. Respekt ist da: oder einfach „szacun!“ - wie man in Polen sagt.

Jakub Wawrzyniak, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen aktuellen polnischen Nationalspieler, wurde 1980 in Poznan geboren, kam 1996 als Diplomatenkind nach Köln und wurde 2007 Vizekonsul für Kulturangelegenheiten und Öffentlichkeitsarbeit im polnischen Generalkonsulat. Seit Kindertagen ist er bekennender Fußball-Fan und Mitglied der Leidensgemeinschaft des 1. FC Köln. "Der Glaube kann Berge versetzen" ist sein Credo - als Pole, leidenschaftlicher Anhänger seiner "Kadra" und EM-Reisender ist er sehr gläubig und für RevierSport als Gastkolumnist tätig.

Dann der überraschende Pass aus der Tiefe. Aus der Tiefe seiner Hosentasche. 15 Tütchen Panini-Bilder für meine Sammlung. Nein, nicht jetzt, nicht wieder ein Kloß im Hals, nicht vor meinem Vater, ich muss doch noch moderieren?!? Die ganze Heim-EM hat mich irgendwie emotional gemacht, ist ja nur einmal im Leben. Nachts, glücklich und erschöpft nach dem Polen-Spiel, mache ich sie endlich auf. 75 Bilder, davon ganze acht neu. Inzwischen eine hervorragende Quote. Doch nicht so brilliant wie die Geschäftsidee mit den Aufklebern. Shevchenko (was für ein Auftritt!), Pepe, Busquets, Nani, Soerensen, van Bommel, Kerzhakov und Europameister Charisteas verstärken meine Auswahl, der Rest meine Tauschmasse. Noch einmal 12 sein - ich wäre auf jeder Schulhoftauschbörse der King. Beim Tippen halte ich es übrigens mit dem Herner Orakel. Ich habe scheinbar auch keine Ahnung. Nichts geht. Schlimmer noch. Ich vergesse zu tippen. Wie peinlich. Noch peinlicher sind nur die Chaoten in Polen. Es kommt, wie es kommen musste. Die Stimmung war aufgeheizt, die Atmosphäre kochte bereits im Vorfeld. Ein Gruppenspiel wird zum Politikum. Einige gewaltbereite Hooligans missbrauchen die EM für deren Zwecke. Ich schäme mich dafür. In polnischer Gastfreundschaft gibt es keinen Platz für gewaltbereite Pseudofans. Dafür sehr viel Platz und sehr viel Freude für unsere Gäste aus ganz Europa! Dies stellen wir in Köln unter Beweis. Im Konsulat ist die Stimmung bestens. Selbst das Spiel passt sich zu unserer Überraschung dieser Atmosphäre an. Mit Blick auf die Leinwand stellen die Helden meiner Fußballkindheit Marek Lesniak und Andrzej Rudy fest, zu früh zur Welt gekommen zu sein. Jetzt in Warschau zu spielen... Die Polen legen los wie die Feuerwehr und auch in Köln wird kräftig gelöscht. Das polnische Bier mit „sok“ (dt. Saft) kühlt ab, genauso wie das Führungstor von Dzagoev. Der polnische Pessimismus macht sich kurzzeitig auch unter den internationalen Gästen breit, dabei haben doch fast alle auf Polen getippt.

Mit einer mutigen und sehr hübschen Ausnahme. Egal, wir sind gewappnet. Die ehrwürdige Villa Neuerburg steht Kopf. Polen, Ukrainer, Deutsche und gar der Honorarkonsul von Angola machen Stimmung für „Bialo-czerwoni“, die Weiß-Roten. „Polska! Polska!“ schallt es laut durch den feinen Marienburg. Nach Kubas Traum-Ausgleich gehen wohl die ersten Anrufe beim Kölner Ordnungsamt ein. Mit Stolz höre ich zu, wie unsere deutschen Gäste mit perfekten „jeszcze jeden“-Rufen (dt. Noch ein Tor!) die gesetzliche Nachtruhe ignorieren. Trotz lautstarker Unterstützung, die bisweilen bis nach Warschau zu hören ist, geht das Spiel 1:1 aus. Alle sind froh, stolz und glücklich, denn Polen bekommt sein Finale. Mit einem Sieg gegen Tschechien sind wir weiter! In wenigen Tagen beginnt meine zweite EM-Reise. Mit Deutschland gegen Dänemark. Aus niedrigen, egoistischen Beweggründen wünsche ich mir daher heute einen Spieltag, der keine Entscheidung in der Gruppe B bringt. Alles muss offen bleiben für ein deutsches (siegreiches) Finale in Lemberg.

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