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EM-Tagebuch: Tag III
Erst das Ja-Wort, dann die Tragödie

EM-Tagebuch: Erst das Ja-Wort, dann die Tragödie
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Es hätte alles so schön sein können. Das Fußball-Land Polen wurde zum Eröffnungsspiel so richtig wach und sorgte für ein überragendes Ambiente.

Leider verpasste das polnische Nationalteam es aber, dem gestrigen Festtag in weiß-rot das i-Tüpfelchen aufzusetzen. Dabei war die Euphorie nach Durchgang eins auf dem Höhepunkt angelangt und der Europameister 2012 schien schon fast festzustehen. "Wenn wir weiter so auftreten, dann hauen wir die Griechen 4:0 oder 5:0 weg und dann kann uns keiner mehr stoppen", war der polnische Kollege neben mir hellauf vom Auftritt der Smuda-Elf begeistert. Ich dachte mir nur: "Junge, bleib mal besser ruhig. Dein Spruch wird uns sicherlich noch Kopf und Kragen kosten." Ich erwies mich leider als Hellseher...

Erst Himmel, dann Hölle

Denn nach dem Schlusspfiff war Polen wieder Lichtjahre entfernt vom Titel und muss sogar um das Weiterkommen bangen. Nun polterte der gleiche Kollege gegen Smuda und Co. "Wie kann er diesen Boenisch nur spielen lassen. Wenn wir weiter so auftreten, dann scheiden wir bereits in der Vorrunde aus." Erst Himmel, dann Hölle. So könnte man die gestrigen 90 Minuten aus polnischer Sicht zusammenfassen.

Vor dem Spiel waren sowohl die polnischen Fans, als auch RS-Redakteur Krystian Wozniak (Bildmitte) siegessicher.

Für mich begann der Tag mit einem wunderschönen Sommerwetter. Ich begab mich mit den Fans schon Stunden vor dem Anpfiffauf den Weg in Richtung Nationalstadion und die Vorfreude war riesengroß. Auch die Erwartungen waren nicht zu gering. "Gegen die Griechen zählt nur ein Sieg, alles andere wäre enttäuschend", das war der allgemeine Tenor der polnischen Anhängerschaft. Es sollte ein besonderer Tag werden - ein unvergesslicher.

Erst das Ja-Wort, dann die griechische Tragödie

Wie auch für Maciej und Magdalena aus Warschau, die sich das Datum des EM-Eröffnunsspiel aussuchten, um sich das kirchliche Ja-Wort zu geben. "Maciej ist ein Fußballverrückter und großer Anhänger unserer Elf. Ich hatte nichts dagegen an diesem Tag zu heiraten. Er hat mir versprochen, dass unsere Hochzeitsfeier ganz besonders wird, denn die Mannschaft wird uns einen Sieg schenken", sagte Magdalena. Die beiden spazierten wenige Stunden vor dem Anpfiff die Weichsel entlang - siegessicher.

Kamilla und Petros hatten aufgrund ihrer polnisch-griechischen Liebe auf ein 1:1 gehofft. Sie sollten Recht behalten.

Maciej: "Ich werde diesen Tag nie vergessen. Ich habe meine Traumfrau geheiratet und Polen siegt zum Auftakt." Ich dachte mir da nur: "Hoffentlich geht das für den Jungen nicht schief." Ich hätte es diesem netten Pärchen gegönnt, dass deren wichtigster Tag im Leben noch ein zusätzliches Bonbon erhält. Aber es kam anders. Erst gaben sich die beiden das Ja-Wort, dann folgte die griechische Tragödie.

RS-Redakteur Krystian Wozniak wird während der EM für uns zwei Wochen quer durch Polen reisen und unsere User mit seinem Tagebuch auf dem Laufenden halten. Ob in Warschau, in Posen, in Breslau oder in Danzig, „Wozi“ ist dabei und berichtet nicht nur aus den Stadien. Er ist auch am Rande der Bande aktiv und gräbt die Geschichten aus, die sonst im Verborgenen geblieben wären...

Ich fühlte mich ebenfalls mitgenommen, denn meine Hoffnungen lagen natürlich auch auf einem Auftaktsieg. An diesem Tag sollte mich aber nicht nur das Ergebnis des Polen-Spiels ärgern. Nachdem ich das Stadion in Richtung Bahnstation verließ, traute ich meinen Augen nicht. Es standen gefühlte 5000 Leute und warteten auf die Züge. Die Stimme aus den Lautsprechern ließ mich schnell erkennen, was hier los war. Das öffentliche Verkehrsnetz der Stadt war zeitweise lahmgelegt. "Das kann nicht sein, dass uns an diesem Tag noch die Panne unterläuft. Das ist ein Skandal", wetterte Jerzy aus Warschau.


Nach knapp drei Stunden, die Entfernung vom Stadion zu meinem Hotel beträgt circa 15 Kilometer, erreichte ich völlig geschafft mein Zimmer. Am Rande erfuhr ich noch, dass Russland die Tschechen mit 4:1 abfertigte. Da musste ich sofort an den kasachischen Oligarchen denken, der jetzt in Breslau feierte während ich frustriert in meinem Bett lag. Das sollte wohl die Strafe für mein schadenfreudiges Lächeln beim Frühstück am Eröffnungstag sein. Während ich heute morgen das Tagebuch schrieb, saß der aus Breslau zurückgekehrte Kasache fröhlich beim Frühstück und blickte lächelnd in meine Richtung. So schnell ändern sich die Gemütslagen und es hätte doch so schön sein können...

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